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“Schick einen Gruß”13.11.2012

„Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne“ von Orlando Figes
(Hanser Verlag) ist dreierlei: ein Sachbuch, eine Liebesgeschichte und
eine Liebeserklärung.

Der nach dem Krieg zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilte 28-jährige
Lew und seine in Moskau verbliebene Freundin Svetlana (beide hatten
sich vor dem Krieg an der Hochschule kennengelernt) schrieben einander
während Lews Lagerhaft mehr als 1200 Briefe, die teilweise auf
offiziellen Wegen und teilweise unter Umgehung der Lagerzensur die
jeweiligen Adressaten erreichen konnten und bis heute vollständig
erhalten geblieben sind.

Orlando Figes zeichnet anhand dieses umfangreichen Materials zwei
Menschen der damaligen UdSSR, eine zutiefst rührende Geschichte ihrer
großen Liebe und ihres unbeugsamen Durchhaltewillens. Wir erleben am
Beispiel von Svetlana und Lew, wie sehr echte und tiefe Gefühle und
das Bewußtsein, für einander da zu sein, Stütze und Lebenswillen auch
unter extremen Bedingungen bedeuten können. Damit ist das Buch eine
fast unglaubliche Liebesgeschichte, die -obwohl erst vor einigen
Jahrzehnten real und tatsächlich passiert- fast an Märchen oder Sagen
längst vergangener Zeiten erinnert.

Das Buch ist damit auch eine Liebeserklärung an die russischen
Menschen, an ihre Beziehungs- und Liebesfähigkeit, ihre Geduld und
Leidensfähigkeit und läßt Erinnerungen an die Frauen der Dekabristen
des 19. Jahrhunderts, die ihren Männern seinerzeit in die Verbannung
nach Sibirien folgten, wach werden.

Die Schilderung des Lageralltags in all seinen Facetten in Lews
Briefen und der Situation in den Nachkriegsjahren in Moskau, die in
den Briefen Svetlanas zum Ausdruck kommen, machen das Werk von Orlando
Figes zu einem mehr als anschaulichen Sachbuch, welches sehr kompetent
und glaubhaft die sowjetische Nachkriegszeit in der Hauptstadt und in
einem Straflages zeigt. Gerade die Akribie, mit der manches im
zitierten Briefmaterial beschrieben und erörtert wird, macht das Werk
besonders authentisch.

Zusammenfassend kann man sagen: das Buch ist unbedingt lesenswert, als
Sachbuch und als Roman einer großen Liebe.

(Peter Presinger)

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